Im Gegensatz zum klassischen Anzug erscheinen Mäntel in einer breiten Palette an Formen und Ausführungen, von bodenlang bis kurz, von weit
umhüllend bis hin zu knackig tailliert. Da kann die Auswahl einer bestimmten Mantelart schwer fallen: Welche Mantelarten gibt es überhaupt? Welchen Mantel will
ich eigentlich? Welchen Mantel brauche ich? Welcher Mantel passt zu mir? Kann und will ich den überall hin anziehen oder möchte ich doch lieber dieses eine Stück für
diese eine Umgebung?
Als kleine Hilfestellung bei diesen Fragen entsteht hier für Sie ein Mantel-Lexikon zu den auch noch im 21. Jh relevanten Jacken- und Mantelformen.* Schnitte, die dem Historischen zuzurechnen sind und spezielle Armee- Mantelformen lasse ich vorerst unbehandelt, da sie außerhalb eines Bühnen- und LARP-Kontextes für mich keine erkennbare Relevanz im urbanen Bild aufweisen. Aber das kann sich noch ändern, faszinierend ist dieser Bereich allemal.
Ich freue mich sehr, dass ich für die Visualisierung der verschiedenen Mantelformen weiter unten den großartigen Illustrator und Poster Artist Fab Gorjian gewinnen konnte. Viele seiner Werke beziehen sich auf klassische Herrenbekleidung und sind üblicherweise großformatige Arbeiten, die ua in einigen Tailoring Houses der Savile Row zu betrachten sind.
Für mein Atelier und meine Webseite gestaltete er eine Serie aus 10 Kleinformaten, die Sie hier bestaunen können.
Diese Seite und die dazugehörigen Unterseiten befinden sich gerade noch im Aufbau. Als tatsächlich auch ausführender Herrenschneider bin ich mit der Modellfertigung in Handarbeit für meine Kunden ausgelastet. Mein ausführendes Webseitenbastler-Ich hat daher nur begrenzt zeitliche Möglichkeiten sich auszutoben. Die jeweiligen Inhalte werdenStück für Stück eingepflegt. Schauen Sie also immermal wieder für neue Beiträge vorbei!
*Ich weiß genug, um zu wissen, dass ich Nichts weiß. Deswegen erhebe ich hier und auf den folgenden Unterseiten auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder die absolute Wahrheit. Über Geschmack streite ich nicht. Ergänzende Informationen, Beitrags-Vorschläge, Korrekturen oder jegliche andere Formen von konstruktiver Kritik sind ausdrücklich erwünscht und herzlich willkommen!
Der PALETOT ist ein etwa knielanger, körpernaher und taillierter Mantel mit etwas ausgestellt wirkenden Schößen. Er ist der
Allrounder unter den klassischen Mantelformen, passt zu verschiedenen Anlässen. Im urbanen Bild ist er überwiegend in der
Businessbekleidung aufzufinden. Merkmale eines Paletots:
Der GUARDS COAT ist eine Art Paletot. Er ist im Rückenteil mit einem knöpfbaren oder einfachen Dragoner (Rückengurt) versehen und
erscheint überwiegend mit einer 2x2 Knopf-Anordnung. Auch das ist von Modell zu Modell unterschiedlich. Generell erscheint der Paletot bzw. Guards Coat in verschiedenen Längen,
unterschiedlicher Knopfanzahl und verschiedensten Taschenformen. Der taillierte Schnitt mit etwas ausgestellten Schößen und die
Spitzfasson sind charakteristisch.
Der PEACOAT (USA und UK) bzw. der CABAN (FRA) hat seinen Ursprung in der Marinebekleidung und ist ein eher legerer, alltagstauglicher Kurzmantel, etwas länger als eine Jacke. Details wie Knopfanzahl oder Schlitze im Rücken- bzw. Seitenteil veränderten sich zwar immer mal wieder, den charakteristischen Look behielt er bis heute:
Der STUTZER ist ein dem Peacoat bzw Caban sehr ähnlicher Trachtenmantel aus der Alpenregion. Hier sind die Farben Schwarz, Grau, Braun und dunkles Grün vorherrschend, die geschlitzten Taschen werden oft in einem anderen Farbton abgesetzt. Das Material ist überwiegend fester, wasserabweisender Loden. Er ist insgesamt etwas länger als der Peacoat, ggf einreihig und hat idR einen Schlitz im Rückenteil. Oft auch mit Stehkragen.
Der CHESTERFIELD-Mantel ist der Urvater aller Mäntel aus dem 19.Jh und das, was wir uns idR unter einem klassischen Herrenmantel vorstellen. Bis heute ist er im Grunde unverändert, auch wenn im Laufe der Zeit die Länge, Weite und Ausführung der Details variierte. Durch die gerade, nicht taillierte Schnittform wirkt er aus heutiger Sicht etwas unzeitgemäß. Merkmale sind bis heute:
Der COVERT COAT ist dem Chesterfield sehr ähnlich. Er wurde ursprünglich für die Jagd zu Pferd entwickelt, setzte sich dann aber Ende des 19.Jh auch im städtischen Straßenbild durch. Er ist etwas kürzer als der Chesterfield und immer aus Covert-Stoff, der dem Mantel seinen Namen gibt. Ursprünglich war er mit Seitenschlitzen versehen, heut oft mit Rückenschlitz.
Die wesentlichen Unterschiede zum Chesterfield sind:
Der GREATCOAT (auch Watchcoat) ist ein Vertreter der Militärbekleidung, die sich auch im zivilen Leben durchgesetzt hat. Der ursprünglich etwa knie- bis wadenlange, körpernah aber bequem geschnittene Mantel aus Melton (Walkloden) war zunächst mit einem Dragoner und einer Pelerine versehen, diese verschwanden aber im Laufe der Zeit. Die heutigen Merkmale eines Greatcoats sind:
Verfolgt man die Arbeiten heutiger Maßschneider aus England, wird der Great Coat unterschiedlich interpretiert. Häufig zu sehen sind Modelle mit tiefen Kellerfalten in der Rückenmitte, mit knöpfbaren Dragonern oder ganzen Gürteln sowie langen Rückenschlitzen, die teilweise zu knöpfen sind. Mein Verständnis des Great Coats geht ebenfalls in diese Richtung. Historisch und fachlich korrekt ist die Bezeichnung für die helle Variante mit weniger Spektakel im Rückenteil.
Der moderne LODENMANTEL ist im Grunde das, was die heutige erweiterte Vorstellung eines Great Coats ist: ein großzügig geschnittener Mantel, der durch Gurte auf Körpernähe gebracht werden kann und über weitere funktionale Details verfügt:
Auch den Lodenmantel gibt es in verschiedensten Ausführungen und unterschiedlichen Details. Im süddeutschen Raum versteht man unter diesem Begriff häufig einen langen und weiten, etwa A-Linien förmigen Übermantel mit einzelner Kellerfalte im Rücken und ggf ohne Ärmel, nur mit Schlitzen. Diese Form des Mantels ist insbesondere für die Jagd im Ansitz beliebt, da sie wärmend als Decke und zur Not als Zelt genutzt werden kann.
Der TRENCHCOAT ist immernoch sehr populär und muss eigentlich nicht mehr vorgestellt werden. Er wurde im 1.Weltkrieg von Thomas Burberry für die Armee (weiter)entwickelt und setzte sich sehr schnell als Regenmantel auch im zivilen Leben durch. Zur Vollständigkeit auch für diese Mantelform eine Charakteristik:
Der Trenchcoat erscheint in unterschiedlichen Farben und Längen, klassisch ist Khaki oder Beige. Diese Mantelform ist ein ideales Besispiel für Design nach dem Prinzip "Form Follows Function" und sollte eigentlich vom Original erworben werden.
Der ULSTER COAT bzw das Material hat seinen Ursprung in der irischen Provinz Ulster und ist wegen seines praktischen Kragens und dem robusten Donegal-Tweed ein idealer Mantel für rauhes Klima. Durch die typische grobe Stoffstruktur mit den bunten Fadenverdickungen ist der Mantel sehr gnädig im Bezug auf Reinigung und Schmutzempfindlichkeit. Auch wenn Sherlock Holmes den Ulster mit Pelerine trägt, Kapuzen oder Capes sind bei diesem Mantel nicht charakteristisch.Bis heute zeichnet sich ein Ulster aus durch:
Der POLOCOAT ist in den USA beheimatet und dem Ulster äußerst ähnlich. Während dieser für die nasskalten Tage im irischen Norden entwickelt wurde, eroberte der Polocoat aus der Sportbekleidung heraus die Garderobe von IvyLeage-Studenten und Absolventen und ist so etwas wie ein Statussymbol. Wesentliche Unterschiede sind:
Der DUFFLECOAT ist ein informeller Kurzmantel, der -ursprünglich für die Marine entwickelt- vor allem in Frankreich und UK verbreitet ist. Der bequeme Schnitt ohne Taillierung hat sich bis heute nicht verändert. Der Dufflecoat ist das einzige klassische Mantelmodell, bei dem die Kapuze erhalten blieb.
Der bekannteste Hersteller ist die Firma Original Montgomery, nach dem Feldmarschall Montgomery, der im 2. Weltkrieg den Dufflecoat zur Standardausrüstung der Armee machte. Merkmale sind:
Ein REGENMANTEL ist aus wasserfestem bis wasserdichtem Stoff gefertigt und dient, wie der Name bereits vermuten lässt, zum Schutz vor Nässe. In den 1820ern produzierte Macintosh in Schottland den Regenmantel aus mit Gummi beschichtetem Material. Im 20Jh entstanden in Deutschland der sog. Kleppermantel und der im norddeutschen Raum verbreitete Friesennerz. Alternativ zur Gummierung werden gewachste Baumwollstoffe verarbeitet, wie zB bei Barbour um 1900 (Die Barbour-Jacke ist allerdings ein Anorak, kein Mantel). Die formellere Variante des Regenmantels zeichnet sich aus durch:
Der SOMMERMANTEL ist in Form und Ausführung dem Regenmantel entsprechend. Das Material ist hier ungewachst, häufig aus
Baumwoll-Popeline wie der Trenchcoat. Präsent in der Businesskleidung, Stadtmantel für die wärmeren Tage.
Der ANORAK (auch Windbreaker) ist ein sehr schönes Beispiel für die Bereicherung unseres Lebensstandards durch das Lernen von anderen Kulturen. Der Sprache der Inuit entsprungen bezeichnet der Begriff eine Schlupfjacke mit nur einer Öfnung für den Kopf und bedeutet soviel wie "etwas gegen den Wind". Ursprünglich aus Robbenfell gefertigt werden heute technische Textilien verwendet, die atmungsaktiv, leicht, wasser- und winddicht sind. Wärmende Füllmaterialien sind synthetische Fasern oder Daunen. Merkmale eins Anoraks:
Der PARKA ist eine Unterart des Anoraks. Auch dieser Begriff stammt aus der Sprache der Inuit und bezeichnet eine lange unstrukturierte Jacke mit überwiegend herausnehmbaren Innenfutter aus Fell. Ursprünglich in Alaska und Sibirien getragen erhielt er in den 1940ern Einzug in die US- Armee und später in die Bundeswehr mit bemerkenswert großen Taschen und ggf einer abnehmbaren Kapuze mit Fellrand. Im Zuge der Proteste zum Vietnamkrieg und der Studentenbewegung der späten 60er Jahre setzte sich der Parka im zivilen Leben als alltagstaugliches, praktisches Kleidungsstück durch. Das Tragen eines Parkas verkörpert heute wohl immernoch eine innere Haltung zum Antimilitarismus und Nonkonformismus. In den letzten Jahren wurde er aber von der Modeindustrie "wiederentdeckt" und daher kann von Nonkonformismus eigentlich nicht mehr gesprochen werden.
Wenn Sie sich noch genauer zu den einzelnen Mantelformen und Bekleidung insgesamt informieren wollen, zB ausführlichere Entstehungsgeschichten, Designvariationen über den Lauf der Zeit oder historisches Bildmaterial, hier eine Liste von Büchern und Schriften zum Einstieg: